Offener Brief an Sozialdezernent Merkator zum Artikel in der AZ – Mainz am 02.07.2016 und zu seinen Reaktionen

Sehr geehrter Herr Merkator,

Ziel des Pressegesprächs von Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. (A+G) und Medinetz Mainz am 01.07.2016 war es, auf Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten in der medizinischen Versorgung geflüchteter Menschen aufmerksam zu machen. Aufgrund der darauf folgenden, kontrovers diskutierten Medienresonanz möchten wir noch einmal zu der Thematik Stellung nehmen.

Es ist uns wichtig klarzustellen, dass wir den Einsatz der Stadt Mainz, der MitarbeiterInnen der kommunalen Unterkünfte und der Catering-Unternehmen wahrnehmen und schätzen. Uns geht es darum, auf bestehende strukturelle Mängel aufmerksam zu machen. Wir wünschen uns, dass unsere Erfahrungen aus der Praxis mehr Beachtung finden, und hoffen, dass sich darauf aufbauend gemeinsam Lösungen finden und umsetzen lassen. Auf diese Weise möchten wir eine Verbesserung der Lebensbedingungen der zu uns geflohenen Menschen erreichen.

Nach 9 Monaten Erfahrung in wöchentlichen medizinischen Sprechstunden, die wir von A+G an mittlerweile 7 kommunalen Sammelunterkünften anbieten, wird deutlich, dass sowohl Asylsuchende, als auch Leistungserbringer mit der aktuellen Regelung durch den Krankenbehandlungsschein überfordert sind. Eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) würde auf allen Seiten Erleichterung bringen und neben Verbesserung der medizinischen Versorgung auch helfen, zum Beispiel Verwaltungskosten einzusparen.

Die Einschränkung der medizinischen Leistungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz bleibt bei der eGK erhalten. Die praktische Arbeit von A+G und Medinetz Mainz zeigt immer wieder, dass es in den derzeitigen Strukturen zu Behandlungsverzögerungen kommt. Anfangs gut therapierbare Krankheiten können sich dadurch verschlechtern oder sogar zu akuten Notfällen werden. Die Einschränkung medizinischer Leistungen ist nicht menschenrechtskonform. Die eGK würde trotz Beibehaltung der Einschränkungen für alle Beteiligten die Abläufe erleichtern.

Es ist uns aber auch wichtig, wie wir dies in unserem Pressegesprächs am 1.7.2016 auch kommunizierten, die gute Kooperation mit der Stadt Mainz im Hinblick auf die Realisierung unserer medizinischen Sprechstunden in 7 Sammelunterkünften hervorzuheben. Des Weiteren hatten wir bei diesem Gespräch betont, dass die von uns durchgeführten Impfmaßnahmen ebenfalls in Kooperation mit der Stadt Mainz stattfanden, jedenfalls im Hinblick auf die Kostenerstattung des Impfstoffes. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Vereinbarung der Kostenübernahme durch die Stadt Mainz von Medikamenten die rezeptfähig sind.

Von unserer Seite wird kein Vorwurf gegen die Stadt oder ein Catering-Unternehmen wegen verdorbener Nahrung erhoben. Wir möchten klarstellen, dass wir hierbei über die Klagen der Menschen berichtet haben.

Uns ist klar, dass in Notunterkünften nicht auf alle individuellen Bedürfnisse eingegangen werden kann. Aber wir sehen den Leidensdruck dieser Menschen und hoffen, dass sich zeitnahe Möglichkeiten für Wohnalternativen finden. Die aktuell von A+G in den Unterkünften abgehaltenen Sprechstunden sind zur Überbrückung ins Leben gerufen worden bis eine effektive Integration in das Regelsystem stattgefunden hat. In der gegenwärtigen Situation sehen wir weiterhin Bedarf, unter anderem speziell bei Impfkampagnen und Sprechstunden für Frauen. Wir wünschen uns, dass die Zuständigen in der Stadt Mainz die aus unserer Arbeit gewonnenen Erfahrungen und Anregungen mehr zur Kenntnis nehmen. An der Forderung einer eGK halten wir fest und sehen insbesondere bei diesem Thema Diskussionsbedarf. Eine ausführliche Darstellung unserer Argumente finden Sie in unserer Präsentation „Die elektronische Gesundheitskarte für Asylsuchende – Gespräch mit den Fraktionen im Rathaus am 8.6.2016“.

Wir hoffen, mit diesem Schreiben Missverständnisse beseitigt zu haben und wünschen uns eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Geflüchteten. Wir würden uns freuen, diese wichtigen Themen in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen tiefergehend zu erläutern.

Gerhard Trabert, für Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.
Christa Blum, für Medinetz Mainz e.V.

Offener Brief als PDF

Zum Hintergrund:
Handreichung zur Pressekonferenz 1.7.2016 : 9 Monate medizinische und psychosoziale Versorgung von geflüchteten Menschen in der Kommune Mainz – ein Bericht über bestehende Versorgungslücken

AZ 8.7.2016: Sozialdezernent Merkator: Mainz führt Gesundheitskarte für Flüchtlinge nicht ein